Konjunkturperspektiven des Jahres 2015

IVH-Vorsitzender Westhagemann: Gedämpfte Erwartungen in der Hamburger Industrie

UVNord-Präsident Wachholtz: Zeit der Wahlgeschenke ist vorbei –
Politik muss jetzt den Hebel umlegen für Wachstum und Beschäftigung

- Gemeinsame Presseinformation von IVH und UVNord -

Hamburg. Auf der diesjährigen Konjunkturperspektiven-Veranstaltung von UVNord –Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein, dem IVH Industrieverband Hamburg in Kooperation mit der Deutschen Bank AG, Region Nord nahmen rund 200 geladene Gäste aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens teil. Mit dieser Traditionsveranstaltung von UVNord und IVH wird zugleich der sozioökonomische Datenkranz für die kommende Tarifrunde abgesteckt. Den Vortrag zur aktuellen weltwirtschaftlichen Situation mit einem Ausblick für Deutschland und die Eurozone hielt David Folkerts-Landau, Chief Economist und Mitglied des Group Executive Committee der Deutschen Bank AG, der im Anschluss die norddeutschen Konjunkturperspektiven des Jahres 2015 mit Prof. Dr. Michael Bräuninger, Economic Trends Research, erörterte, unter der Moderation von UVNord-Präsident Uli Wachholtz.

Michael Westhagemann, Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH), verdeutlichte in der Begrüßung und Einführung: „Die Hamburger Industrie ist Konjunkturmotor für den norddeutschen Raum als Auftraggeber für andere Branchen, als Impulsgeber für Forschung und Entwicklung und, nicht zuletzt, als größter Arbeitgeber und Ausbilder. Allerdings wirkt die allgemeine konjunkturelle Eintrübung, insbesondere auf den europäischen Märkten, die sich noch nicht wie erhofft erholt haben, dämpfend auf die künftige Geschäftsentwicklung unserer produzierenden Unternehmen. Außerdem schwächen der im laufenden Jahr aufgetretene Konflikt mit Russland sowie die zunehmend labile politische Lage im Nahen Osten die Investitionstätigkeit der Unternehmen in 2015.
Wichtigste Aufgabe unserer Wirtschaftspolitik ist es jetzt, die Wachstumskräfte zu stärken. Konkret meine ich zum Beispiel, unser Steuersystem entschlossener als bisher investitions- und wachstumsfreundlich zu gestalten.“


David Folkerts-Landau, Chief Economist und Mitglied des Group Executive Committee der Deutschen Bank AG, verdeutlichte in seinem Vortrag: „Historisch gesehen befinden wir uns in einer außerordentlichen wirtschaftlichen Situation. Die wichtigsten Zentralbanken setzen die Zinsraten immer noch nahe Null. Die EZB und die BoJ haben schon oder beabsichtigen, „Quantitative Easing“ Maßnahmen zu ergreifen. Mehrere Industrieländer haben eine staatliche Verschuldungsquote von mehr als 90% wie zum Beispiel Japan, Italien oder Frankreich. Erschwerend kommt hinzu, dass Industrieländer im Allgemeinen höher verschuldet sind als Entwicklungsländer.

Wenn wir uns das Wachstum anschauen, leben wir in einer Welt der 3 Geschwindigkeiten: Entwicklungsländer wachsen am schnellsten, die Vereinigten Staaten sind der Wachstumsmotor der Industrieländer und Europa wächst am langsamsten.“


In dem Podiumsgespräch wurden die Erwartungen für das Jahr 2015 deutlich formuliert:

UVNord-Präsident Uli Wachholtz: „Die Wachstumserwartungen für die kommenden Monate haben sich deutlich reduziert, der Konjunktur-Optimismus am Beginn dieses Jahres ist weitestgehend verflogen. Auch wenn der Ifo-Geschäftsklima-Index zuletzt wieder leicht angestiegen ist, sind Anzeichen für eine nachhaltige Belebung nur schwer auszumachen. Nullwachstum im zweiten Halbjahr in Deutschland trotz helfender externer Faktoren wie niedrigem Zins, niedrigem Ölpreis und dem schwachen Euro sollten uns zu denken geben. Nachhaltig kann man mehr Wachstum nur mit höheren Investitionen schaffen, hier liegt Deutschland im Vergleich mittlerweile deutlich hinter fast allen hochentwickelten Staaten zurück.

Die seit Jahren verfallende Infrastruktur, der arbeitsplatzvernichtende gesetzliche Mindestlohn, die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63 haben das Vertrauen der Investoren in den Wirtschaftsstandort Deutschland deutlich geschmälert. Und alle diese Wachstumshemmer sind hausgemacht.

Die Wirtschaftspolitik, gerade hier im Norden, sollte jetzt wieder mehr Gewicht auf bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und neue Arbeitsplätze legen. So könnte die Abschaffung der Landesmindestlohngesetze in Hamburg und Schleswig-Holstein eine Maßnahme sein, die vor allem im Mittelstand zu mehr Beschäftigung führen würde. Zielführend wären auch Investitionen in den Erhalt der Infrastruktur, Tempo bei der A20, grünes Licht für die Fahrinnenanpassung der Elbe, und nicht zuletzt maßvolle Abschlüsse in der kommenden Tarifrunde. Natürlich gäbe auch eine Olympiaentscheidung für Hamburg Rückenwind für die gesamte norddeutsche Wirtschaft.“


Prof. Dr. Michael Bräuninger, Economic Trends und Research: "Die deutsche Wirtschaft und auch die im Norden sind im laufenden Jahr nicht so dynamisch gewachsen, wie es zu Beginn des Jahres erhofft und auch erwartet wurde. Dennoch sind die Entwicklungen weit von einer Krise entfernt; somit besteht auch keinerlei Anlass für Aktionismus etwa in Form von neuen Fiskalprogrammen.

Eine wesentliche Stütze der Konjunktur ist der private Konsum. Hier zeigen sich die weiterhin sehr gute Situation am Arbeitsmarkt und die steigenden Realeinkommen. Dies kommt auch dem Einzelhandel zu gute. Alles spricht dafür, dass es auch in diesem Jahr hohe Lohnabschlüsse gibt, die zu kräftig steigenden Löhnen im nächsten Jahr führen. Gleichzeitig bleibt die Inflationsrate gering, vor allem weil die Öl- und Gaspreise sinken. Bei diesen Entwicklungen ist die Gefahr einer Deflation ausgesprochen gering, vielmehr ist schon zu hinterfragen, ob die Lohnsteigerungen nicht zu hoch ausfallen und die Wettbewerbsfähigkeit gefährden."