Spitzenverbände fordern eine echte Reform-Agenda 2030: Deutschland darf nicht weiter an Boden verlieren!

UVNord und IVH geben Konjunkturperspektiven für 2022

Hamburg. Die Jahresveranstaltung „Konjunkturperspektiven 2022“ von UVNord und IVH und der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zur konjunkturellen Entwicklung der norddeutschen Wirtschaft im kommenden Jahr fand heute im Haus der Wirtschaft in Hamburg statt mit Vorträgen von Prof. Dr. Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und Dr. Hermann-Josef Hansen, Leiter der Abteilung Konjunktur und Wachstum der Deutschen Bundesbank. Im Rahmen der Veranstaltung sprachen ebenfalls die Spitzen von UVNord und IVH. Ehrengast war Prof. Dr. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der zu den jüngsten Entwicklungen nach der Bundestagswahl in Berlin sprach. Mit der Traditionsveranstaltung der beiden Verbände und der Bundesbank zum Konjunkturausblick für das Jahr 2022 nahmen die Experten in ihren Vorträgen Bezug auf das diesjährige Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute.

Dr. Philipp Murmann, Präsident UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein betonte in seiner Begrüßung:

„Hamburg wie auch Schleswig-Holstein sind insgesamt noch mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen. Da mit dem Impffortschritt auch das Ende der Pandemie naht, muss der Politik gelingen, endlich den Krisenmodus zu verlassen und den Blick wieder ganz deutlich nach vorne zu richten. Wir brauchen jetzt eine echte Reform-Agenda 2030 mit ambitionierten Zielen. Das war eigentlich schon vor der Pandemie absehbar, aber duldet nun keinen Aufschub mehr. Chipmangel, Rohstoffknappheit, Preisexplosion, gestörte Lieferketten, fehlende Transportkapazitäten – diese und andere Schlagworte mehr bestimmen seit Wochen und Monaten die Hintergrundmusik in den Nachrichten. Eine kurzfristige Entspannung ist leider nicht in Sicht, die anziehende Nachfrage in vielen Weltregionen verschärft die Probleme und führt zu weiter steigenden Preisen. Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Jeder politische Gestaltungswille hängt davon ab, dass die Wirtschaft läuft und das gilt erst recht für das Jahrhundertziel einer klimaneutralen Energieversorgung unserer Volkswirtschaft. Aber auch eine Reihe anderer wichtiger Themen wartet auf dringende Bearbeitung, um Norddeutschland zügig voranzubringen. Wir müssen endlich in der weiteren Planung und im Bau der A20, dem Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals vorankommen und wir brauchen eine echte und vollständige Verwaltungsreform, die Bürokratie wirklich abbaut und ein neues Planungsrecht auf den Weg bringt, das Investitionen beschleunigt. Auch Hamburg und Schleswig-Holstein können noch weiter zusammenrücken, wenn es beispielsweise um eine gemeinsame Landesplanung geht.“

Dr. Arno Bäcker, Präsident der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, unterstrich in seiner Begrüßung:

„Konjunkturell ist durch die bisherige Erholung Land in Sicht, aber wir liegen infolge einiger Bremseffekte nicht zuletzt bei den Lieferketten buchstäblich noch auf Reede … Im Hinblick auf den markanten Anstieg des allgemeinen Preisniveaus ist von einem vorübergehenden Phänomen auszugehen, aber Voraussetzung dafür ist nicht zuletzt eine stabilitätsgerechte Lohnsetzung der Tarifparteien … Das Eurosystem kann durch Einforderung von klimaorientierten Berichtspflichten von Wertpapieremittenten und Ratingagenturen dazu beitragen, die Transparenz über finanzielle Risiken durch den Klimawandel und die Transformation zur Klimaneutralität zu erhöhen und das Risikomanagement allgemein zu unterstützen. Das vorrangige Ziel der Preisstabilität muss gerade in dieser Zeit sichergestellt werden, damit die klimapolitisch bedingten Preissignale ihre Anreizwirkung optimal entfalten.“

Prof. Dr. Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), betonte in seinem Expertenvortrag:

„Derzeit ist viel Sand im Getriebe der Weltwirtschaft. Zwar lassen in vielen fortgeschrittenen Ländern die unmittelbar pandemiebedingten Behinderungen nach, jedoch erweisen sich Lieferengpässe zunehmend als Bremsklotz der wirtschaftlichen Dynamik. Demzufolge haben sich die Schubkräfte für die Konjunktur wieder abgewechselt. Während die Dienstleistungsbereiche weiter aufholen, stagniert die industrielle Aktivität. Insgesamt sind die Erholungskräfte aber intakt, der Aufschwung ist selbsttragend. Anlass zu konjunkturpolitischen Maßnahmen gibt es keine, diese würden nur den ohnehin hohen Preisdruck weiter verstärken.“

Dr. Hermann-Josef Hansen, Leiter der Abteilung Konjunktur und Wachstum der Deutschen Bundesbank betonte in seinem Expertenvortrag:

„Die Erholung der deutschen Wirtschaft nach dem starken Einbruch infolge der Pandemie blieb zuletzt spürbar hinter den Erwartungen zurück. Dies lag in erster Linie an der Industrie, deren Produktion bei hohem Auftragsbestand durch Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten erheblich gedämpft wird. Gleichzeitig steigen die Preise vor allem auf den vorgelagerten Stufen des Produktionsprozesses so stark wie schon lange nicht mehr. Die Belebung in den Dienstleistungsbranchen schreitet andererseits wie erwartet voran. Was bedeutet dies für die Konjunkturperspektiven im kommenden Jahr? Bei allen Unwägbarkeiten und Risiken, auch mit Blick auf den weiteren Verlauf der Pandemie gibt es insgesamt gute Gründe davon auszugehen, dass das Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 recht kräftig ausfallen dürfte.“

Matthias Boxberger, Vorsitzender des Vorstandes des Industrieverbands Hamburg (IVH):

„Angesichts von Pandemiefolgen, stark steigenden Energiepreisen und gestörten Lieferketten braucht die Industrie nun Möglichkeiten, Investitionen, Innovationen und nachhaltiges Wachstum besser voranzubringen. Nur so kann es gelingen, unsere Klimaschutz-Ambitionen 3/3 bei Erhalt und Ausbau der 120.000 Industrie-Arbeitsplätze in Hamburg umzusetzen. Jetzt ist die zukünftige Bundesregierung gefordert, wichtige Aufgaben endlich voranzubringen, um unsere Industrie krisenfest zu machen. Dazu zählt: Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen sowie nationale Abgaben für heimischen grünen Strom – staatlich induzierte Strompreisbestandteile – so zu reduzieren, dass Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Die Hamburger Industrie wird auch weiterhin ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten als Konjunkturmotor für den norddeutschen Raum, als Auftraggeber für andere Branchen, als Innovationstreiber und Impulsgeber für Forschung und Entwicklung, und nicht zuletzt, als einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder der Stadt.“

Pressekontakte:

UVNord: Sebastian Schulze, Tel.: 0171 7056940, schulze@uvnord.de

IVH: Yvonne Gerhardt, Tel.: 040 6378 4120, yvonne_gerhardt@bdi-hamburg.de